Sechs Menschen aus vier Nationen leben 520 Tage auf 180 Quadratmetern von der Außenwelt fast vollständig isoliert. Freiwillig wohlgemerkt. Es ist ein wissenschaftliches Experiment, das seit Juni 2010 in Moskau den Flug zum Mars und zurück simuliert – und ein Härtetest in Sachen Toleranz. Denn interkulturelles Management für so lange Zeit auf so engem Raum ist eine Extremsituation – die von den Teilnehmer allerdings bisher scheinbar gut bewältigt wurde. Anders sieht es da in manchen Unternehmen aus.
Auch wenn mehr Raum und persönliche Ausweichzonen zur Verfügung stehen, ist die Verständigung zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen nicht immer problemlos möglich. Das betrifft längst nicht mehr nur multinationale Konzerne. Auch Mittelständler haben inzwischen oft eine ethnische und kulturelle Vielfalt in ihrem Mitarbeiterstab. Nicht immer aber sind sie darauf eingestellt. Stillschweigend wird von den zum Beispiel indischen, südafrikanischen, italienischen, koreanischen und türkischen Kollegen eine Anpassung an deutsche Gepflogenheiten und Umgangsformen erwartet. Doch das funktioniert bei allem guten Willen der Mitarbeiter nur bis zu einem gewissen Grad. Schon innerhalb Europas gibt es wesentliche kulturelle Unterschiede. So haben Titel wie Diplom-Ingenieur oder Doktor in Österreich ein viel größeres Gewicht als in Deutschland und es ist fast schon eine Beleidigung, sie nicht zu erwähnen.
Mit gutem Willen allein ist es also nicht getan. Allein Wortwahl oder Satzbau, Gestik und Mimik können in der Kommunikation zu Missverständnissen führen. Schüttelt ein Inder den Kopf, signalisiert er Zustimmung, während sein deutscher Kollege Ablehnung versteht. Umgekehrt wird die deutsche Pünktlichkeit von außen oft als Obsession betrachtet, die zu Stress führt, während sie für uns eine Form der Höflichkeit darstellt. Aus Sicht eines internationalen Managers ist Deutschland die Nation der chaotischen Bürokratie. Wir sehen Regeln und Regulierungen als Problemvermeider und -löser.
Internationale Mitarbeiter bereichern ein Unternehmen. Doch es muss sich auch der Herausforderung einer multinationalen Kultur stellen. Der erste Schritt dazu heißt voneinander lernen. Verständnis setzt Wissen voraus. Mitglieder internationaler Teams sollten also zu Anfang einen Teil ihrer Zeit darauf verwenden, sich selbst zu erklären. Dazu gehört auch, dass die anderen nachfragen, wenn sie etwas am Verhalten eines Teammitglieds nicht verstehen. „Wenn mir einer der anderen komisch vorkommt oder ich mich über ihn ärgere, könnte es daran liegen, dass ich ihn kulturell missdeute und deshalb falsch reagiere.“ Dies sollte der erste Gedanke bei Konflikten sein. Selbstverständlich lassen sich dadurch nicht Antipathien vermeiden, aber viele unnötige Missverständnisse können so ausgeräumt werden.
Wichtig ist, dass Unternehmen ihre internationalen Mitarbeiter auch bei Kunden unterstützen. Vor allem mittelständische Firmen bestehen oft noch auf ihren deutschen Ansprechpartnern. Sie wollen sich nicht auf andere Kulturen einstellen, selbst wenn das für sie vorteilhaft wäre. Hier müssen deutsche Mitarbeiter ihren internationalen Kollegen zur Seite stehen und sie beim Kunden gut einführen.
Wie gut spontane internationale Teams zusammenarbeiten können, lässt sich manchmal in Alltagssituationen erkennen. Die Lissabonner Straßenbahn hielt plötzlich an, weil ein parkendes Autor zu weit auf die Schienen ragte. Ein Portugiese winkte ein paar Männer zusammen. Gemeinsam packten sie das Auto und ruckelten es von den Gleisen. Als sie wieder einstiegen , konnten sie sich nicht verständigen, weil der eine französisch, der andere englisch und der dritte portugiesisch redete. Doch auch ohne viel Worte hatten sie zusammen etwas erreicht und freuten sich darüber.
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