Wir alle kennen es noch aus der Schulzeit: Zeugnisse sind eine unangenehme Sache, denn irgendwie spiegeln sie nie die Leistung wider, die wir nach eigenem Dafürhalten tatsächlich erbracht haben. Umso ärgerlicher sind Zeugnisse im Berufsleben, denn stets bleibt das Gefühl, ungerecht oder zumindest zu schlecht beurteilt zu sein. Dabei ist in Deutschland das berufliche Zeugniswesen sogar gesetzlich geregelt. Demnach schuldet der Arbeitnehmer vertraglich eine Leistung mittlerer Art und Güte (§243, Absatz 1 BGB), also eine „befriedigende Leistung“. Möchte ein Arbeitnehmer ein besseres Zeugnis erhalten, muss er Tatsachen vorbringen und beweisen, die eine solche Beurteilung rechtfertigen. Umgekehrt ist der Arbeitgeber beweispflichtig, fällt das Zeugnis schlechter als „befriedigend“ aus.
Eigentlich ganz einfach. Doch ein subjektiver Vorgang wie die Beurteilung eines Mitarbeiters lässt sich nie zur beiderseitigen Zufriedenheit nach objektiven Maßstäben organisieren. Zu groß sind oft Misstrauen, Unzufriedenheit und Ressentiments. Die verklausulierte Zeugnissprache verstärkt das Unbehagen des Empfängers durch das Gefühl, irgendwo könnte doch eine Gemeinheit versteckt sein.
Der Arbeitgeber hat das schriftliche Arbeitszeugnis so zu formulieren, dass es der Leistung des Mitarbeiters gerecht wird und gleichzeitig einem Dritten (beispielsweise einem Personalleiter oder Unternehmer) Informationen über die Qualifikation und Leistung liefert. Die elektronische Form ist bei einem Arbeitszeugnis ausgeschlossen. Nur auf ausdrückliches Verlagen eines Mitarbeiter ist ein Zeugnis zu schreiben. Es muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Nach §109 Absatz 2 der Gewerbeordnung muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale enthalten, die den Zweck haben, andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
Gegen dieses Klarheitsgebot verstößt zwar die heute weitgehend verwendete verklausulierte Zeugnissprache, dieser Code wird aber vom Bundesarbeitsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit toleriert. Verfechter einer Neuregelung verlangen dagegen eine klare Zeugnissprache, die den Anforderungen des heutigen Arbeitslebens an Zeugnisse genügt. Damit soll vor allem ein Vergleich möglich sein, welche Leistungen vom Arbeitnehmer gefordert wurde und welche er tatsächlich erbracht hat. Es geht um Antworten um Fragen wie: Welche Fähigkeiten und Stärken konnte der Mitarbeiter einsetzen? Wie hat der Mitarbeiter seine Aufgaben bewältigt? Welche positiven Arbeitsergebnisse wurden erzielt? Was war sein Beitrag zum Ganzen? Mit welchem Einsatz und Arbeitsverhalten hat er seine Tätigkeit ausgeübt?
Für ihre berufliche Karriere sind Mitarbeiter natürlich meist auf ein überdurchschnittlich gutes Arbeitszeugnis angewiesen. Dafür sollten sie eine entsprechende Leistung erbringen. Doch das allein genügt nicht, um bei der Zeugniserteilung keine unangenehme Überraschung zu erleben. Darüber hinaus sollten sie:
- Regelmäßig mit ihrem Vorgesetzten über ihren Leistungsstand sprechen und ihre eigene Entwicklung dokumentieren
- Sich Zwischenzeugnisse ausstellen lassen, wenn ihr Vorgesetzter wechselt oder sie selbst andere Aufgaben innerhalb des Unternehmens übernehmen
- Den Inhalt Ihrer Zeugnisse von erfahrenen Dritten gegenlesen lassen, um eventuell versteckte Negativbeurteilungen zu finden
- Das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber suchen, wenn ein Zeugnis nicht Ihren Erwartungen entspricht
Unter Umständen eine Schiedsstelle – bestehend aus Personen Ihres Vertrauens und denen Ihres Arbeitgebers – einschalten, um sich gütlich über den Inhalt Ihres Zeugnisses zu einigen
Ganz wichtig ist es, sich nicht erst um das Zeugnis zu kümmern, wenn Sie es unbedingt benötigen. Ihre Beurteilung ist ein fortlaufender Prozess – und je mehr sie sich dabei einbringen und Ihre Entwicklung dokumentieren, umso einfacher ist es für Ihren Arbeitgeber, Ihnen ein passgenaues Zeugnis auszustellen und für Sie, die Aussagen im Zeugnis nachzuvollziehen.
Noch ein ganz spezieller Tipp, wenn Sie historisch interessiert sind: Das Hamburger Museum der Arbeit verfügt über eine Sammlung mit Arbeistzeugnissen, die hundert Jahre und älter sind. Interessantes Anschauungsmaterial, zumal Sie feststellen werden, dass einige Formulierungen auch heute noch gebräuchlich sind.
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