Schon wieder ein Meeting. Unser Vertriebschef wird die Runde gleich wieder mit seinen Privatgeschichten langweilen und die nervige Kollegin aus dem Marketing wird sich in ihren “Noch-ist-nicht-alles-von-jedem-gesagt-worden-Endlosschleifen” ergehen. Peter wird diskret an seiner Feierabendeinkaufsliste feilen, und ich bin glücklich, wenn es nach zeitraubenden Stunden zurück an den Schreibtisch geht. Dann warten wir mal, daß das Meeting endlich zu Ende geht. Warten..
Eigentlich besteht das ganze Leben nur aus Warten.
Egal, ob im Theater oder in Meetings, an Bushaltestellen, beim Arzt oder auf der Behörde. Unser Leben besteht regelrecht aus Warten, zumindest empfinde ich es so: Wir warten auf unsere Beförderung, das große Geld, die Rente, den richtigen Mann und darauf, dass es mal wieder richtig Sommer wird. Erst gestern habe ich auf den Babysitter gewartet, dann auf den Bus. Auf den Bus, der mich zum Arzt gebracht hat. Genau genommen hat er mich aber nicht zum Arzt, sondern in sein „Warte“-Zimmer gebracht. Vorausschauend wie ich bin, bringe ich mir ein Buch mit, wenn ich erwarte, warten zu müssen. Beim Arzt oder auf einer Behörde. Am liebsten würde ich deshalb sofort die Krankenkasse wechseln. Von mir aus auch das Land. Aber auch da kann ich lange warten. Ich habe auf Sie gewartet, beschwert sich der, der sich im Recht glaubt. In Wahrheit wartet immer einer auf den anderen. Wer gerne wartet, signalisiert, dass er auf dieser Welt nichts mehr zu erwarten hat. Weil die Termine dicht auf dicht folgen, warten wir eigentlich auf die Zeit bis zum nächsten Warten. Wir können uns nicht wehren gegen die Zumutung des Wartenmüssens, das ist das Schlimmste daran. Wer weggeht, sich aus der Schlange verabschiedet, muss nur noch länger warten, bis er sich das nächste Mal anstellen darf. Also rät die innere Stimme sanft: Stell dich nicht so an, warte lieber jetzt als später. Am Schlimmsten ist für mich aber, dass ich bei jedem neuen Warten nicht weiß, wie lange es diesmal dauern wird…
Zum Glück bin ich damit aber nicht länger alleine.
Wir – die bislang schweigsame leidende Minderheit der Wartekranken, sind auf irgendeine wundersame Art und Weise erhört worden, denn das Warten hat neuerdings eine geradezu beruhigende Endlichkeit bekommen: In Ämtern ziehen wir Zahlenkärtchen und verfolgen auf einem Display über der Tür, wie weit die eigene Nummer noch entfernt ist; an U-Bahn-Haltestellen werden die Minuten bis zum nächsten Zug heruntergezählt; Musikplayer zeigen an, an welcher Stelle eines Songs wir uns befinden; und sogar Pappschilder neben endlosen Schlangen geduldiger Kunstfreunde messen die Zeit: »Ab hier noch eine Stunde bis zum Eingang der Ausstellung«. Die allerneueste Entwicklung ist wohl die so genannte »Restrot-Ampel«, die einen Countdown bis zur nächsten Grünphase vollführt. Ihre Wirkung wurde sogar wissenschaftlich untersucht, der Effekt auf das menschliche Nervensystem war deutlich: Zwanzig Prozent der Fußgänger, die früher bei Rot über die Straße gegangen wären, brachten nun die Ruhe auf, tatsächlich auf das grüne Männchen zu warten.
Großartige Idee!
Ich kann es kaum abwarten: Gleich morgen werde ich vorschlagen, eine „Rest-Meeting-Ampel“ in unserem Konferenzraum aufzustellen.
Alles wird gut, Eure Mia!
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