7:00 Uhr. Mein Wecker reißt mich aus einem Traum. Kurz einen Blick aufs Handy – keine WhatsApp-Nachrichten. Jetzt eben Frühstücken und dabei ins neue Coldplay-Album reinhören. Komisch, Spotify funktioniert nicht. Dann halt Radio. Nach dem Frühstück schnell Facebook checken – funktioniert ebenfalls nicht. Keine Internetverbindung. Genervt haste ich zum Router, zieh den Stecker raus, warte ein paar Sekunden und schließe ihn wieder ans Stromnetz. Erschreckend stelle ich fest, dass ich immer noch kein Internet habe. Während ich den Router das zweite Mal hochfahren lasse, ertönt im Radio folgende Meldung: „Das Internet ist weltweit ausgefallen. Eine Ursache konnte bisher nicht gefunden werden und eine Behebung des Problems ist noch nicht absehbar.“ Mir schießt meine Hausarbeit in den Kopf. Wie soll ich das ohne Internet machen? Kein Facebook? kein WhatsApp? Ich versuch einen Freund anzurufen, aber das Mobilfunknetz scheint überlastet zu sein. Ich fühle mich abgeschnitten.
So ungefähr würde mir ein totaler Internetausfall wohl begegnen. Dabei sind meine Probleme noch die Kleinsten. Betrachtet man dieses Szenario in einem größeren Zusammenhang, erscheinen die möglichen Auswirkungen viel verheerender.
Ein Blick ins Unternehmen macht dies deutlich: Ohne Emails, Online-Überweisungen und meist auch IP-Telefonie geht da gar nichts, von Collaboration-Tools und Conferencing-Systemen mal ganz abgesehen. Und was ist mit Unternehmen, die vollständig auf das Internet ausgerichtet sind? Der Schaden des großen Online-Versandhändlers Amazon läge schon nach einigen Stunden Internetausfalls im mehrstelligen Millionenbereich. In wieweit kleine und mittelständische IT-Unternehmen einen Internetausfall überhaupt länger verkraften könnten, bleibt offen.
Ein Beispiel, das den Ernst des Szenarios verdeutlicht, sind Apotheken – die bestellen ausgehende Medikamente „just-in-time“, automatisch und: über das Internet. Welche Konsequenzen es hat, wenn bestimmte Medikamente nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, kann man sich ausmalen. Hier reden wir buchstäblich über Leben und Tod. Ach, und mal eben aufs Land wäre auch nicht so ohne weiteres möglich, denn die Preisinformation für die Zapfsäulen an der Tankstelle… Sie wissen schon.
Und erst die Finanzmärkte! Der psychologische Effekt eines Totalausfalls würde sich unvorhersehbar an der Börse auswirken – bzw eben genau nicht, denn es fände ja kein Handel mehr statt. Und selbst wenn das Parkett wieder aktiviert würde: wie lange blieben Ihre Amazon-Aktien wohl im Portfolio, wenn Sie nicht wüssten, wann das Internet wieder funktioniert?
Dies sind nur einige Punkte die, ich mir ausmale. Außerdem habe ich nicht thematisiert, wie wahrscheinlich es ist, dass ein solches Szenario wirklich eintreten könnte. Darum geht es mir auch nicht, sondern um die enorme und dabei ganz alltägliche Abhängigkeit von dieser hochkomplexen Infrastruktur, die wir genauso abstrakt wie vereinfacht „Internet“ nennen. Kaum zu glauben, dass die meisten von uns noch ohne aufgewachsen sind. Was mich zu der Frage bringt: Will ich eigentlich wirklich, dass mein Kühlschrank bei Knappheit die Milch automatisch nachbestellt und ich mein Auto nur noch mit meinem Handy aufschließen kann?
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