Wir wissen alle, wie schwer es sein kann, Kritik anzunehmen. Da habe ich mich für ein Projekt richtig reingehängt und der Chef erzählt mir, dass er mit meiner Leistung nicht so recht zufrieden ist. Am liebsten würde ich sofort protestieren: Unter dem Zeitdruck war doch einfach nicht mehr zu schaffen! Er kann das als „Außenstehender“ doch gar nicht richtig beurteilen… und es gab ein paar Probleme, für die ich nun wirklich nichts kann…
Stattdessen habe ich irgendwann mal gelernt, dass es wohl besser ist, einfach zu nicken und das Feedback dankbar hinzunehmen. Zumindest sollte es so aussehen, als wäre ich dankbar. Schließlich ist Kritik doch dafür da, um daraus zu lernen. Ist es denn sinnvoll, auf diese Weise mit Kritik umzugehen oder ist es vielleicht doch besser, seinem Rechtfertigungsdrang nachzugeben, um die Kritik abzuwehren? Ich glaube: weder noch – und werde in diesem Artikel eine dritte Variante vorstellen.
Zunächst einmal ist wesentlich, mit den durch die Kritik ausgelösten negativen Emotionen klarzukommen. Dabei gilt es, weder in negative Gedanken zu verfallen und an seiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit zu zweifeln noch den Feedbackgeber einfach abzuwerten („man weiß ja von wem es kommt“). Stattdessen sollte uns klar sein, dass es erstmal nur um Sichtweisen geht, an denen etwas dran sein kann, aber eben nicht dran sein muss. Niemand, auch kein Chef dieser Welt, ist wirklich objektiv – und somit ist es auch nicht sinnvoll, sich durch dessen Kritik an den Grundfesten der eigenen Persönlichkeit angegriffen zu sehen. Wer das Gefühl hat, in seiner Persönlichkeit bedroht zu werden, wird entweder auf Flucht oder auf Angriff schalten. Da lohnt sich eher die Erkenntnis, dass in Kritik vor allem eines drinsteckt: Nämlich Informationen über den Feedbackgeber. Was ist ihm wichtig und wo hat er Bedenken?
Wenn ich nun höre, dass mein Chef mit meiner Leistung nicht zufrieden ist, dann kann ich damit erstmal herzlich wenig anfangen. Was ich raushören kann, ist lediglich, dass er sich irgendetwas anders vorgestellt hätte. Anstatt dies jetzt einfach hinzunehmen und zu sagen, dass ich mich nächstes Mal noch mehr anstrengend werde, erscheint mir Nachhaken sinnvoll zu sein: Was genau meint er mit Leistung? Was genau hätte ich anders machen sollen? Wie genau hätte ich es tun sollen, damit er zufrieden ist? Warum ist ihm das wichtig? Diese Variante, solange nachzufragen, bis ich weiß, was konkret hinter der Kritik steckt, hat mehrere Vorteile:
Erstmal wird so schnell klar, dass es um einzelne Verhaltensweisen geht und nicht etwa meine Person als Ganzes in Frage gestellt wird. Wenn mein Chef mir antwortet: Er habe erwartet, dass ich mehr Zeit in die Projektdokumentation gesteckt hätte – dann verliert seine Kritik sehr schnell ihre Bedrohlichkeit auf der persönlichen Ebene.
Der zweite Vorteil ist, dass wir aus konkreter Kritik viel besser lernen können. Wenn mein Chef mir erklärt, dass die Projektdokumentation so wichtig ist, um in Folgeprojekten daran ansetzen können und um später nicht nochmals alles neu erarbeiten zu müssen, kann ich das durchaus nachvollziehen. Außerdem weiß ich jetzt, welche Leitlinien der Projektdokumentation für ihn wichtig sind und was genau ich anders machen soll. Und schon wird klar: in den meisten Fällen ist es auch gar nicht so schwer, etwas anders zu machen.
Ein dritter Vorteil liegt darin, dass wir durch hartnäckiges Nachfragen unsere Feedbackgeber erziehen. Denn nicht jede Kritik ist angemessen. Manchmal entspringt sie einfach aus einer schlechten Laune. Wenn wir unsere Kritikgeber durch unsere Fragen dazu zwingen, ihre Kritik zu präzisieren, nochmal darüber nachzudenken und die Motive zu erklären, lassen wir sie schnell merken, ob ihre Kritik angebracht und angemessen ist. Wer seine Kritik überhaupt nicht begründen kann, steht nämlich am Ende blöd dar und wird sich beim nächsten Mal vielleicht doppelt überlegen, ob und wie er kritisiert.