Was ein Assessment-Center wirklich vorhersagen kann…

Der Puls steigt, die Hände sind feucht, die Knie sind wackelig. So geht es vielen Bewerbern, die sich im Rahmen eines Assessment Centers für einen Job empfehlen wollen. In Gruppendiskussionen, Rollenspielen, Selbstpräsentationen und ähnlichen Übungen lassen Unternehmen mehrere Kandidaten beobachten.

Immer öfter werden Assessment-Center eingesetzt, um herauszufinden, wer sich für eine bestimmte Position eignet.

Das Ganze ist zeit- und kostenintensiv. Mehrere Beobachter, ausreichende Räumlichkeiten, viel organisatorische Vorbereitung und ein bis drei Tage Zeit werden benötigt. Lohnt sich der Aufwand? Ist der Nutzen eines Assessment-Center tatsächlich so groß, dass es den Aufwand rechtfertigt? Oder misst es vielleicht nur die schauspielerische Leistung der Kandidaten? Wie schneidet das Assessment-Center im Vergleich zu anderen Verfahren wie etwa einem Intelligenztest oder dem traditionellen Bewerbungsgespräch ab?

Schauen wir uns also an, was die Forschung dazu sagt.

Zunächst aber grundlegend: Wie findet man überhaupt heraus, ob und in wieweit Personalauswahlverfahren zielführend sind? Im Vordergrund steht dabei immer die Frage, ob ein solches Verfahren vorhersagen kann, wie erfolgreich jemand später seinen Beruf ausführen wird. Es geht also um den Zusammenhang zwischen dem Abschneiden in dem jeweiligen Procedere und der zukünftigen Berufsleistung. Berufsleistung ist erstmal ein sehr grober Begriff und muss spezifiziert werden. Hierfür werden Kriterien wie die Gehaltsentwicklung, die Beurteilung des Vorgesetzten oder der Grad des beruflichen Aufstiegs herangezogen. Wenn ich also feststelle, dass jene Bewerber, die in meinem Assessment Center am besten abgeschnitten haben, inzwischen auch am weitesten aufgestiegen sind, am meisten Geld verdienen und am besten beurteilt werden, dann kann ich davon ausgehen, dass mein Assessment Center funktioniert.

Die Stärke der Vorhersagekraft wird Validität genannt und als Maß eine Korrelation verwendet.

Eine 1 ist die maximale Vorhersagekraft und eine 0 hingegen bedeutet, dass das Verfahren nichts mit der späteren Berufsleistung zu tun hat. Nach diesem Vorgehen hat die Forschung schon eine ganze Menge Ergebnisse hervorgebracht.  Eines vorweg: Es gibt kein Personalauswahlverfahren, das sichere Vorhersagen trifft. Auch jemand, der im Assessment-Center begeistert hat, kann sich als Blindgänger entpuppen. Anders herum kann es aber auch passieren, dass der ruhige Herr Müller, den sie nur eingestellt hatten, weil gerade kein besserer da war,  am Ende ihr bester Mann ist.

Nun zum Assessment-Center selbst:

Nachdem Schmidt und Hunter (1998) in der wohl bekanntesten Analyse von Personalauswahlverfahren das Assessment-Center als immerhin einigermaßen konkurrenzfähig (.37) einstufen, kommen Hardison und Sackett (2007) in einer Nachfolgeanalyse, welche die Ergebnisse der nächsten 20 Jahre umfasste, zu dem Ergebnis, dass die Validität von Assessment-Centern in den letzten Jahren auf .26 gesunken ist. Vor allem der Vergleich mit viel günstigeren Verfahren wie strukturierten Einstellungsgesprächen (.51) oder kognitiven Tests (.51) stellt den Einsatz teurer Assessment-Center in Frage.

Warum sollten Unternehmen so einen Aufwand betreiben, wenn es Verfahren gibt, die valider und gleichzeitig viel weniger aufwändig sind? Wieso finden Assessment-Center trotz abnehmender Validität immer mehr Zuspruch? Unternehmen  machen hier einen ganz entscheidenden Fehler: Sie unterschätzen die diagnostischen Anforderungen, die ein valides Assessment-Center voraussetzt. Heinz Schuler spricht in diesem Zusammenhang von einer „Spielwiese für Laiendiagnostik“. Übungen werden ohne Anforderungsanalyse zusammengebastelt und die Kandidaten werden unsystematisch bewertet. Ein Glück, dass wir uns in der Medizin und in der Technik nicht so stark auf unsere intuitiven diagnostischen Fähigkeiten verlassen…

Sind Assessment-Center also grundsätzlich überflüssig?

Die oben genannten (Meta-)Analysen fassen sehr viele Studien zusammen. Die Werte für die Validitäten der Verfahren sind also Mittelwerte aus verschiedenen Studien. Die genauere Betrachtung einzelner Studien zeigt, dass es auch Assessment-Center gibt, die den Berufserfolg sehr gut vorhersagen können (bis zu .67). Hier wird das Assessment-Center allerdings noch neben Simulationsübungen wie Rollenspielen und Diskussionen auch um Interviews und kognitiven Tests ergänzt. Außerdem werden geschulte Psychologen als Beobachter eingesetzt.

Fazit: Assessment-Center sind erstens teuer und sind zweitens auf keinen Fall das Nonplusultra der Personalauswahl.

Wenn man sich dafür entscheidet, dann bitte richtig und ohne Rücksicht auf die Kosten. Ansonsten sind andere Verfahren die bessere Wahl.

 

Hardison, C. M. & Sackett, P. R. (2007). Kriteriumsbezogene Validität des Assessment Centers: lebendig und wohlauf? In H. Schuler (Hrsg.), Assessment Center zur Potenzialanalyse (S. 192–202). Göttingen: Hogrefe.

Schmidt, F. L. / Hunter, J. E. (1998): The validity and utility of selection methods in personnel psychology: Practical and theoretical implications of 85 years of research findings, in: Psychological Bulletin, 124 (2), 262–274

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