„Ich habe keine Ahnung, wie der Armleuchter es geschafft hat, hier eingestellt zu werden. Der kriegt nichts auf die Reihe.“ Als ich das neulich von einem alten Kollegen aus dem Vertrieb gehört habe, war ich froh, dass ich die Teamleiterstelle im Marketing angenommen habe. Ich weiß noch genau wie anstrengend es ist, mit leistungsschwachen Mitarbeitern zusammen zu arbeiten. Mein aktuelles Team hingegen ist großartig. Bis jetzt… Denn heute Morgen kann ich meinen Augen nicht trauen. Der besagte Mitarbeiter soll zu mir ins Team wechseln. Es wäre schon länger abgesprochen gewesen, dass er ins Marketing versetzt wird, sobald eine Stelle frei wird. Na toll. Und jetzt?
Was wir aus der Schule lernen können.
An dieser Stelle möchte ich thematisch einen Sprung machen. Vor 50 Jahren haben die Psychologen Robert Rosenthal und Lenore Jacobson an einer Grundschule folgendes Experiment durchgeführt: Lehrern wurde vorgetäuscht, dass man anhand von Tests Schüler mit besonders hohem Leistungspotenzial identifiziert. Ihnen wurde erzählt, dass bei diesen Schülern mit einem Entwicklungsschub zu rechnen ist. Was die Lehrer nicht wussten, dass die Schüler in Wirklichkeit per Los ausgewählt wurden. Zu Beginn und acht Monate später zum Abschluss des Experiments haben alle Schüler einen Intelligenztest absolviert. Die Ergebnisse waren beachtlich. Die Schüler, deren Leistungspotenzial besonders hoch eingestuft wurde, entwickelten sich wesentlich besser, als die Schüler, von denen die Lehrer keine besonderen Entwicklungen erwartet haben.
Wie wir sich selbsterfüllende Prophezeiungen schaffen.
Wie lässt sich erklären, dass die Schüler, von denen wir glauben, sie müssten sich gut entwickeln, tatsächlich einen gewaltigen Entwicklungsschub hinlegten? Allein aufgrund der Erwartungen der Lehrer an die als „leistungsstark“ gekennzeichneten Schüler, widmeten sie diesen mehr Aufmerksamkeit, lobten und ermunterten diese öfter, nahmen sich mehr Zeit bei Fragen und legten mehr Wert darauf sie zu fördern. Was hat dieses Experiment mit unserer Ausgangssituation zu tun? Die Vorstellungen, die wir von anderen haben, bestimmen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten, also auch ob wir neue Mitarbeiter eher fördern oder es ihnen schwer machen. Wir schaffen eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. Dieses Phänomen gilt nicht nur in der Schule. Wenn ich einem neuen Teammitglied von Anfang an mit der Einstellung begegne, dass die Person nichts kann, dann darf ich mich nicht wundern, wenn sie tatsächlich die Lust verliert sich zu engagieren und gute Leistungen zu erbringen.
Soll ich mir jetzt immer einreden, ich hätte nur mit exzellenten Mitarbeitern zu tun?
Zurück zur Ausgangssituation: Ich weiß, dass ich ab nächster Woche einen Mitarbeiter im Team habe, der in der Vertriebsabteilung keine guten Leistungen erbracht hat. Soll ich das jetzt verdrängen und mir am besten noch einreden, dass der neue Mitarbeiter mein Team mit seiner Leistung nach vorne katapultiert und es fortan nur noch Erfolge regnet? Nein, dann ist es wahrscheinlich, dass man enttäuscht wird. Aber man sollte sich selbst ein Bild machen. Vielleicht hat er einfach nicht in das Vertriebsteam gepasst oder es waren nicht die richtigen Tätigkeiten für ihn. Möglicherweise fehlt ihm zwar das sichere Auftreten, das im Vertrieb notwendig ist, dafür hat er aber ein hervorragendes Gespür für Marketingaktivitäten. Bevor ich jemanden die Chance nehme, einen guten ersten und auch zweiten Eindruck zu machen, würde ich ihm immer erst einmal positiv gestimmt entgegentreten.
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