Ich verfolge meine Ziele hartnäckig. Stimme voll zu. Manchmal fühle ich mich nutzlos. Teils-Teils. Ich präsentiere gerne vor anderen Leuten. Stimme eher zu… Hier ein Kreuzchen, da ein Kreuzchen und am Ende ergibt sich eine strukturierte Persönlichkeitseinschätzung. Es streitet wohl niemand ab, dass die Persönlichkeit einen bedeutsamen Einfluss darauf hat, wie erfolgreich jemand eine Rolle ausfüllen kann. Extrovertierte Verkäufer haben es leichter auf Kunden zuzugehen und in nahezu jedem Job ist Gewissenhaftigkeit eine grundlegende Voraussetzung. Doch eignen sich Persönlichkeitsfragebögen wirklich, diese spezifischen Eigenschaften herauszufinden? Sind Persönlichkeitsfragebögen nicht viel zu leicht zu verfälschen und insofern gar nicht valide zu verwerten? Die Studienlage liefert einige interessante Antworten auf diese Fragen.
Zunächst einmal zur Verfälschbarkeit: Teilnehmer antworten möglicherweise nicht ehrlich, sondern versuchen sich durch die Beantwortung der verschiedenen „Items“ möglichst gut darzustellen. Um herauszufinden, in wieweit diese Angst wirklich eine Rolle spielt, wurden Studien (Hough et al., 1990) nach folgendem Schema durchgeführt: Drei Gruppen von Teilnehmern wird derselbe Persönlichkeitsfragebogen vorgelegt – allerdings mit verschiedenen Instruktionen. Der ersten Gruppe wird gesagt, sie solle den anonymen Fragebogen zu wissenschaftlichen Zwecken ausfüllen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer hier ehrlich antworten, da sie keinen Grund zur Verfälschung haben. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe sollen sich hingegen vorstellen, sie wären in einer Bewerbungssituation und deshalb versuchen, sich so positiv wie möglich dazustellen. Des Weiteren wird der Persönlichkeitsfragebogen einer dritten Gruppe vorgelegt, die in einer realen Bewerbungssituation ist. Erstaunlicherweise wurde festgestellt, dass Teilnehmer zwar sehr wohl in der Lage sind, sich bewusst in ein positives Licht zu rücken (Gruppe 2 unterscheidet sich sehr von Gruppe 1), dies in einer realen Bewerbungssituation jedoch kaum tun (Gruppe 3 unterscheidet sich kaum von Gruppe 1). Möglicherweise haben die Teilnehmer die Befürchtung, dass Verfälschungen durchschaut werden.
Nur weil Verfälschungstendenzen von geringerer Tragweite sind, als häufig angenommen wird, bedeutet dies allerdings noch nicht automatisch, dass der Einsatz von Persönlichkeitsfragebögen bei der Personalauswahl wirklich sinnvoll ist. Um herauszufinden, ob sich der Einsatz wirklich lohnt, wird untersucht, inwieweit die Ergebnisse des Fragebogens mit bestimmten Leistungskriterien zusammenhängen. Haben also Verkäufer, die extrovertiert zu sein angeben, auch bessere Verkaufszahlen als jene, bei denen aufgrund des Fragebogens auf eine introvertierte Persönlichkeit geschlossen wird? Die Forschungsergebnisse sind hier eher ernüchternd: Es lassen sich immerhin mit einigen Persönlichkeitsfragebögen leichte Tendenzen erkennen. In Anbetracht der Kosten, die eine Fehlbesetzung nach sich ziehen kann, ist eine leichte Verbesserung der Auswahlentscheidung durchaus von Bedeutung.
Persönlichkeitsfragebögen also generell als Humbug abzutun, halte ich daher für falsch, denn die Studienlage zeigt, dass es tatsächlichTests gibt, die zumindest in einem gewissen Rahmen die Personalauswahl verbessern können. Es kann sich deswegen durchaus lohnen, sie zu verwenden – etwa, um den ohnehin gewonnenen Eindruck eines Bewerbungsgespräches zu bestätigen oder um eine große Menge an Bewerbern in Verbindung mit kognitiven Tests vorzuselektieren. Auf der anderen Seite dürfen Persönlichkeitsfragebögen aber auch nicht überschätzt werden. Gerade kommerzielle Anbieter von Persönlichkeitsfragebögen werben häufig mit nicht ansatzweise haltbaren Versprechungen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass für den Großteil der kommerziellen Persönlichkeitsfragebögen kaum systematisch untersucht wurde, inwieweit diese sich wirklich dafür eignen, zukünftiges Verhalten oder Leistung am Arbeitsplatz vorherzusehen.
Sollten Sie die Verwendung von Persönlichkeitstests für die Personalauswahl in Betracht ziehen, lassen Sie sich am besten von einem möglichst unabhängigen Experten beraten. Und wenn Sie als Kandidat das nächste Mal Häkchen machen: Ganz gelassen bleiben, denn für einen seriösen Arbeitgeber wird das Ergebnis des Fragebogens allenfalls ein Baustein des komplexen Gesamtbildes sein.
(Hough, L.M., Eaton, N.K., Dunnette, M.D., Kamp, J.D. & McCloy. R.A. (1990) Criterion-related validities of personality constructs and the effect of response distortion on those validities. Journal of Applied Psychology, Vol 75(5), Oct 1990, 581-595)
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