Hervorragender Lebenslauf, top Arbeitszeugnisse und zudem ein einwandfreies Auftreten: Alles spricht dafür, diesem Bewerber sofort einen Arbeitsvertrag vorzulegen. Doch irgendwie habe ich ein mulmiges Gefühl dabei. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber ich spüre einen inneren Widerstand. Vielleicht muss ich mich einfach aufraffen und einsehen, dass alle Fakten dafür sprechen, ihn einzustellen. Schließlich trifft man wichtige Entscheidungen mit dem Kopf und nicht mit dem Bauch! Oder? Sollte man wirklich den Anspruch haben, wichtige Dinge immer rational zu entscheiden – oder vielleicht doch eher mal auf sein Bauchgefühl hören? Ich habe jedenfalls das Gefühl, es wäre eine bessere Entscheidung, ihn nicht einzustellen.
Wenn man weiß was man will, aber nicht warum
Wenn wir meinen, die richtige Entscheidung zu kennen, aber wie in diesem Fall nicht sagen können warum, dann sprechen wir von Intuition. Woher kommt dieses oftmals mystifizierte Gefühl? Was ist Intuition? Gerd Gigerenzer, der sein Leben der Erforschung genau dieses Themas gewidmet hat, beschreibt Intuition als ein gefühltes Wissen, das drei Eigenschaften besitzt. Erstens: Es ist schnell im Bewusstsein. Wir wissen sofort, was richtig ist. Zweitens: Wir kennen die Gründe nicht, da diese im Unbewussten liegen. Drittens: Dennoch beeinflusst Intuition unser Handeln maßgeblich. Aus Sicht des Wissenschaftlers hilft uns Intuition vor allem bei großen Mengen an Informationen, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Schnelle Verarbeitung einer Vielzahl von Informationen
Gegenüber dem rationalen Entscheiden mit dem Verstand hat Intuition zwei große Vorteile. Zum einen hilft es uns Dinge „intuitiv“ sehr schnell zu erfassen. Um zu realisieren, dass jemand meinen Witz lustig fand, muss ich nicht erst denken: Linker Mundwinkel ist hochgezogen, rechter Mundwinkel ist ebenfalls hochgezogen, Augenbrauen sind leicht gesenkt… Stattdessen weiß ich sofort, dass mein Gegenüber sich freut. Wir können sogar ein echtes von einem sarkastischen Lächeln intuitiv gut voneinander unterscheiden, ohne genau zu wissen, warum. Intuition berücksichtigt also in kurzer Zeit sehr viele Informationen, ohne dass sie in unser Bewusstsein gelangen müssen. Bei der Vielzahl an Eindrücken, die jederzeit auf uns einprasseln, hätten wir ohne hin keine Chance, diese alle gleichzeitig im Bewusstsein zu verarbeiten.
Das Integrieren einer Vielzahl von Erfahrungen
Wir sammeln während unseres Lebens ständig Erfahrungen, aus denen wir lernen können. Sind wir nun in einer spezifischen Situation, können wir uns unmöglich alle relevanten Erfahrungen ins Bewusstsein rufen, um eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Unser Gedächtnis integriert diese im Laufe des Lebens gesammelten Informationen aber und spiegelt sie uns in Form eines Bauchgefühls wieder. Professionelle Schachspieler, von denen man erwarten könnte, dass sie ausnahmslos rational entscheiden, berichten häufig davon, dass sie ihre besten Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen. Diese Entscheidungen beruhen auf jahrelanger Erfahrung.
Sollen wir jetzt den Verstand ausschalten?
Intuition ist also kein Hokuspokus, den es auszuschalten gilt. Aber was sollte man tun, wenn – wie in der Eingangssituation geschildert – Bauchgefühl und Verstand im Widerspruch zueinander stehen? Sollte der Bewerber nun eingestellt werden oder nicht? Ich würde mir zuerst überlegen, wie bedeutend die Entscheidung ist. Geht es eigentlich um nichts, würde ich, um Zeit zu sparen, ruhig auf mein Bauchgefühl vertrauen. Hängt allerdings viel davon ab, wie bei der Personalauswahl, würde ich mein Bauchgefühl ernst nehmen und nochmals genau überprüfen, ob ich vielleicht ein relevantes Merkmal übersehen habe. Vielleicht stelle ich ansonsten zu spät fest, dass der Bewerber zwar ausgesprochen kompetent ist, von seiner Art allerdings nicht ins Team passt. Anders herum kann es genauso sein, dass unserer Bauchgefühl sagt, der Bewerber könnte passen, auch wenn sein Lebenslauf einige Makel aufzeigt.
Möglicherweise zeigt uns unserer Bauchgefühl also, dass wir einen Rohdiamanten nicht erkennen.
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