Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie stecken mitten in einem Berg voller Arbeit und plötzlich kommt ihr Chef durch die Tür: „Sag mal, das neue XY-Projekt steht an. Hättest du Kapazitäten, dort die Projektleitung zu übernehmen? Traust du dir das zu?“ Sie sind hin und hergerissen. Eigentlich wissen Sie genau, dass Sie sich viele Nachtschichten aufhalsen würden. Auf der anderen Seite sind Sie stolz, dass Sie für Ihre erste Führungsaufgabe gefragt worden sind. Das könnte ein wichtiger Karriereschritt sein. Was würde ihr Partner wohl sagen? Wäre er stolz? Oder sauer, dass Sie noch weniger Zeit haben? Schon fühlen Sie sich, als würde eine Horde Elefanten durch Ihren Kopf trampeln und ehe sie sich versehen, haben Sie ein halbherziges „Ja“ herausgestammelt.
Was ist hier passiert? Sie hatten einen inneren Konflikt.
Ich möchte in diesem Artikel aufzeigen, wie innere Konflikte gelöst werden können, damit Sie in so einer Situation eine klare Entscheidung treffen können, mit der Sie am Ende auch zufrieden sind. Ein Modell, dass sich hervorragend eignet, um die Vorgänge bei inneren Konflikten zu verstehen, ist das Innere Team von Schulz von Thun. Der Grundgedanke ist Folgender: Genau wie bei realen Konflikten zwischen verschiedenen Menschen streiten sich bei inneren Konflikten verschiedene innere Anteile miteinander. Nur: Es sind unsere inneren Teammitglieder, die hier lautstark versuchen, zu Wort zu kommen (und damit die Analogie zu Goethes zwei Seelen, die in einer Brust schlagen).
Auch mit der Lösung innerer Konflikte verhält es sich wie bei der Lösung realer Konflikte.
Als erstes schauen Sie, wer beteiligt ist. In unserem Beispiel ist da zunächst der Karriereorientierte in Ihnen, der beruflich unbedingt vorankommen möchte. Ihm gegenüber steht der Zeitmanager, der genau weiß, dass es nicht zu schaffen ist. Ein Verbündeter des Selbstbesorgten ist der Familienmensch in Ihnen, der Zeit für Partner und Kinder haben will. Gleichzeitig meldet sich auch noch der Stolze in Ihnen, der sich freut, dass er gefragt ist und weiß, dass er die beste Wahl für das Projekt ist. Als wäre das noch nicht genug, gibt es da auch noch den Abenteurer, der einfach Lust auf eine neue Herausforderung hat.
Was machen Sie wenn in einem realen Team, alle wirr durcheinander reden?
Sie geben nach und nach jedem dass Wort. Wenn sich nämlich alle verstanden fühlen, dann beruhigt sich Lage meist deutlich. Genauso überlegen Sie sich im Kopf, warum welchem Ihrer inneren Teammitglieder was wichtig ist. Beispielsweise ist dem Karriereorientierten das Projekt besonders wichtig, weil es Ihre erste Führungsaufgabe wäre. Dieser Anteil hat Angst davor, dass eine Ablehnung des Projekts so aussehen würde, als würde er sich die Führungsaufgabe nicht zutrauen. Dem Familienmenschen in Ihnen geht es hauptsächlich darum, dass er Abende noch mit seinen Kindern verbringen kann.
Nachdem Ihre Teammitglieder zu Wort gekommen sind, sollten Sie sich schon wesentlich entspannter fühlen. Der nächste Schritt ist es dann, nach einer Lösung zu suchen, die die verschiedenen Interessen des Teams möglichst gut unter einen Hut bringt. Klar ist: Sie wollen auf keinen Fall noch mehr Überstanden machen. Klar ist auch, dass es nicht so aussehen soll, als hätten Sie Angst vor der Führungsaufgabe. Schließlich wollen Sie in absehbarer Zeit gerne eine Führungsposition übernehmen.
Schließlich fällt Ihnen folgende Lösung ein: Sie sagen Ihrem Chef, dass Sie das Projekt unheimlich gerne übernehmen würden, Sie dafür aber andere Aufgaben abgeben müssten. Mit dem Pensum, was sie momentan zu tun haben, hätten sie keine Chance, die neue Rolle des Projektleiters angemessen auszuführen. Selbst wenn Ihr Chef Ihnen sagen sollte, dass Sie unmöglich andere Aufgaben abgeben können, haben Sie dann zumindest deutlich gemacht, dass Sie keine Angst vor Führungsaufgaben haben.
Wie in realen Konflikten ist es nicht immer leicht, eine Lösung zu finden, mit der alle wirklich glücklich sind.
Aber selbst dann werden Sie sich besser fühlen, wenn Ihre Entscheidung auf einer inneren Teambesprechung basiert. Schließlich fühlen sich Ihre inneren Teammitglieder ernst genommen.
Anstatt sich also von Ihren lautesten Mitgliedern zu einer schnellen Entscheidung drängen zu lassen, sollten Sie bei inneren Konflikten erst einmal Zeit gewinnen, um alle Beteiligten ins Boot zu holen. Es geht also sozusagen um die innere Diskussionskultur.
Themen: Menschen, Ratgeber