Wie sehen die anderen mich? Wie kann ich mich einbringen? Wieso reißt Herr Meier immer das Ruder an sich? Dass Frau Müller immer alles als ihre Idee verkauft, geht mir so auf den Senkel. Aber soll ich das ansprechen? Hätten wir nicht viel früher eine Entscheidung treffen können? Ich glaube der Plan wird schief gehen, aber keiner sagt was… stehe ich blöd da, wenn ich es anspreche?
Solange derartige Fragen und Gedanken ungeklärt bleiben, wird das Team nicht effizient an den eigentlichen Aufgaben arbeiten. Das Finden der eigenen Rolle ist den Mitgliedern des Teams hier nämlich zunächst viel wichtiger. Verständlich, schließlich muss man mit den anderen noch länger zusammenarbeiten. Bevor wir etwas sagen, prüfen wir genau: Was könnten die anderen denken? Schließlich wollen wir es uns mit denen nicht verscherzen. Auch Ärgernisse und Störungen nehmen sich ihren Raum. Tja, aber: Wer sich über andere ärgert, kann sich nicht gleichzeitig auf die Sache konzentrieren. Der Kommunikationsforscher Schulz von Thun sagte einst: „Wo Menschen miteinander schaffen, machen sie sich zu schaffen.“ Wir kennen alle aus eigener Erfahrung, wie viel Ressourcen solche gruppendynamischen Prozesse binden können. Die Zusammenarbeit ist zäh, Probleme werden nicht angesprochen oder im Keim von den dominanten Mitgliedern erstickt. Nach und nach sinkt die Motivation.
Es ist doch erstaunlich, wie selten diese Phänomene wirklich bewusst angegangen werden. Gezielte Teamentwicklung wäre hier das Mittel der Wahl. Doch dann heißt es oft: „Zu wenig Zeit, zu wenig Geld!“ Wenn ich bedenke, welchen Einfluss die Zusammenarbeit des Teams auf dessen Leistung hat, frage ich mich, ob man hier nicht am falschen Ende spart. Wer Teamentwicklung vernachlässigt, hat am Ende dann eskalierte Konflikte oder gar gescheiterte Projekte auszubaden. Schließlich fährt man auch nicht an einer Tankstelle vorbei, ohne den nötigen Kraftstoff zu tanken, nur weil Zeit und Geld knapp ist.
Kann man denn gegen solche Entwicklungen wirklich etwas tun? Ist es mit der Gruppendynamik in Teams nicht wie mit dem Wetter? Kommt es nicht relativ unvorhersehbar zu bestimmten Situationen, die wir ohnehin nicht kontrollieren können? Jein! Denn: Solche Prozesse geschehen einfach, ob man es will oder nicht. Aber wie beim Wetter kann man sich mit der richtigen Kleidung davor schützen, bei Regen bis auf die Haut durchnässt zu werden.
Ich möchte hier zwei Kernfunktionen von Teamentwicklung erläutern. Erstens: Die Gruppendynamiken werden sichtbar gemacht und der Automatismus somit gestoppt. Wenn den Teammitgliedern beispielsweise klar wird, dass bestimmte Vorschläge trotz starker Bedenken nur angenommen wurden, weil jeder jeweils das Schweigen der anderen als Zustimmung interpretiert hat, werden die Mitglieder sensibel für derartige Phänomene und handeln dementsprechend. Zweitens geht es bei Teamentwicklung immer auch darum, einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zu fördern. Leistungsstarke Teams sind also nicht nur in der Lage, den unter Wasser liegenden Teil des Eisberg zu analysieren, sondern damit auch angemessen umzugehen.
Leistungsstarke Teams sind also dazu in der Lage, ihre heterogenen Wissensbestände zu nutzen, sich auf Gefahren hinzuweisen, sich gegenseitig anzuregen und damit innovative Ideen zu entwickeln. So schön es auch wäre – von ganz alleine funktioniert das allerdings nicht. Investieren Sie also Zeit darin, eine funktionierende Teamkultur zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Oder, um bei dem Vergleich von oben zu bleiben: Versuchen Sie nicht zur falschen Zeit am Benzin zu sparen, ansonsten werden Sie früher oder später liegen bleiben.
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