Je nachdem, wie wir eine Lüge definieren, werden wir im Schnitt 200 Mal am Tag belogen. Wie viele Lügen haben Sie davon heute schon erkannt? Vermutlich kaum welche. Studien zeigen, dass Menschen unheimlich schlecht darin sind, Lügen zu entlarven. Ohne weitere Indizien ist das Urteil darüber, ob jemand lügt oder bei der Wahrheit bleibt, nahezu eine Zufallsentscheidung. Helfen kann dabei die sogenannte Gesprächstechnik – dazu gleich mehr.
Die meisten Lügen, die wir im Alltag erleben, scheinen uns allerdings auch nicht besonders zu schaden. Manchmal allerdings sieht die Lage anders aus: Angenommen Sie vermuten, dass einer Ihrer Mitarbeiter Sie beklaut, weil die frisch bestellten, neuen Diensthandys fehlen, zu denen nur einige Mitarbeiter Zugang hatten. Könnten und wollten Sie darüber hinwegsehen? Das andere, klassische Beispiel: Sie vermuten, dass Ihr Partner Sie betrügt. Das sind alles keine leichten Situationen, denn auf der einen Seite wollen Sie nicht unnötig misstrauisch sein und jemanden zu Unrecht beschuldigen. Auf der anderen Seite aber lassen Sie diese Vermutungen nachts nicht mehr ruhig schlafen.
Was können Sie tun? Ich möchte Ihnen zwei simple Gesprächstechniken zur Entlarvung von Lügen vorstellen:
Die Reflexfrage: Sie stellen den Verdächtigen eine Frage, die Schuldige an Ihre Tat erinnert und Unschuldigen nicht weiter auffällt. Bevor sich herumgesprochen hat, dass die bestellten Handys geklaut wurden, fragen Sie Ihre Mitarbeiter beiläufig, bei welchem Handynetz-Anbieter sie sind. Der Schuldige wird reflexartig eine kurze Angstreaktion zeigen, weil er sich an seine Tat erinnert. Der Unschuldige hingegen wird ganz gelassen bleiben.
Die Alibi-Test-Frage: Ihr Partner erzählt Ihnen, dass er den ganzen gestrigen Abend zu Hause war und sie vermuten dabei eine Lüge. Fragen Sie Folgendes: „Was hast du eigentlich beim Stromausfall gemacht. Der Nachbar hat gerade erzählt, dass das ganze Gebäude duster war…“ Den Stromausfall haben Sie sich ausgedacht. War Ihr Partner tatsächlich zu Hause, wird er sagen: „Komisch, nee hier war kein Stromausfall.“ Denkt er sich hingegen etwas aus, wissen Sie, dass er nicht zu Hause war.
Ist das Thema erstmal auf dem Tisch, sollte Ihrerseits zudem ganz klar und vor allem glaubhaft die Überzeugung geäußert werden, dass die Wahrheit so oder so ans Licht kommen wird. Damit können Sie einerseits erreichen, dass der Schuldige noch unsicherer wird und die Situation andererseits für den Unschuldigen entspannen.
Ich möchte jedoch unbedingt auf einen gefährlichen Fallstrick hinweisen, wenn es darum geht, Lügen erkennen zu wollen: Angenommen, Sie bitten einen Ihrer Mitarbeiter ins Büro und befragen ihn zu den gestohlenen Handys. Er zittert, hat eiskalte Hände und macht insgesamt einen sehr ängstlichen Eindruck. Da liegt doch die Vermutung nahe, dass er es war! Aber so einfach ist es leider nicht, da auch Unbeteiligte in solchen „Verhör“-Situationen häufig sehr erregt sind. Immerhin geht es um einen möglichen Vertrauensbruch, denn wer möchte schon, dass man ihm derart extremes (was unser Beispiel angeht: sogar kriminelles) Verhalten überhaupt zutraut? Einher geht damit zudem die Sorge, fälschlicherweise für schuldig erklärt zu werden und die eigene Unschuld nicht beweisen zu können – diese Grundangst ist nicht umsonst der Plot so manch dramatischer Romane und Filme.
Es geht also auf keinen Fall darum, unnötiges Misstrauen zu fördern, zumal eine falsche Anschuldigung sehr destruktive Kräfte entfalten kann. Umso mehr geht es aber um einen verantwortungsvollen Umgang mit derart schwierigen Situationen. Deshalb denken Sie daran: Es gibt meist bessere Lösungen, wie beispielsweise die beschriebene Gesprächstechnik, als sich vom Partner oder einem Mitarbeiter zu trennen, weil man eine Lüge vermutet – ohne sich nicht wirklich sicher zu sein.
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