Ihre Kollegen streiten sich ständig. Langsam geht es Ihnen auf die Nerven. Das kann doch nicht so schwer sein…! Weiß doch jeder: Konfliktursachen suchen, finden, beheben – und schon ist der Streit gelöst.
Oder sind Sie vielleicht selbst gelegentlich Beteiligter eines Konfliktes? Falls ja, suchen Sie bitte nicht nach der Ursache. Warum nicht, fragen Sie? Weil es keinen Sinn ergibt. Und das kommt so:
Erstens: Konflikte breiten sich aus. Ein Konflikt mag sich vielleicht an einer Sache entzünden. In rasender Geschwindigkeit geht es dann aber nicht mehr nur darum, wer den Müll rausbringt, sondern auch um die Wäsche, den letzten Urlaub, die Kindererziehung, den abwertenden Tonfall und ganz allgemein um die ständigen Überreaktionen. Genauso wie die Feuerwehr bei einem Hausbrand (glücklicherweise) nicht die funkensprühende Waschmaschine repariert, reicht es nicht, sich auf die Konfliktursachen zu konzentrieren.
Zweitens: Die Suche nach einer Ursache bei einem Konflikt entspringt einer mechanischen Denkweise mit einem klaren Ursache-Wirkungszusammenhang. Funktioniert die Waschmaschine nicht mehr, ist es sicher sinnvoll, die Ursache zu finden und zu beheben. Wenn ich weiß, dass der Abfluss verstopft ist, ist das Problem schnell zu lösen. Dieses eindeutige Ursache-Wirkungs-Denken lässt sich allerdings nicht auf Menschen übertragen. Wenn ich mit einer bestimmten Kraft und einer bestimmten Bewegung einen Gegenstand trete, kann ich ziemlich genau vorherbestimmen, wohin dieser Gegenstand fliegt. Wenn ich mit derselben Bewegung einen Menschen trete, weiß ich hingegen nicht, ob er wegrennt, zurücktritt, weint, schreit oder auf sonstige Weise reagiert.
So können lückenhafte Stellenbeschreibungen zu einem Konflikt führen, wenn zwei ehrgeizige Mitarbeiter die gleichen, nicht eindeutig zugeordneten Aufgaben übernehmen wollen, um etwa ihren Einflussbereich zu vergrößern. Möchte dies nur einer, gibt es gar keinen Konflikt – hier müßte man also vielmehr von Konfliktpotenzialen, nicht aber von Konfliktursachen sprechen.
Drittens: In einem Konflikt würde die Suche nach einer Ursache meistens bedeuten, dass nach dem Schuldigen gesucht wird. Die Klärung der Schuldfrage führt in Konflikten allerdings nur äußerst selten zur Lösung und scheint daher auch nicht sinnvoll. Schließlich beeinflussen sich Menschen wechselseitig, sobald sie aufeinander treffen. Er zieht sich zurück, weil sie nörgelt und sie nörgelt, weil er sich zurückzieht. Der Chef kritisiert, weil sein Mitarbeiter ständig unmotiviert ist und der Mitarbeiter ist unmotiviert, weil sein Chef ständig kritisiert. Da geht es dann schnell um Henne und Ei.
Und wie sieht nun das Fazit aus diesen Überlegungen aus? Menschen funktionieren anders als Waschmaschinen – und wenn wir einen Konflikt lösen wollen, brauchen wir auch eine andere Denkweise als beim Beheben eines technischen Defekts. Die gute Nachricht: Auch dafür gibt es viele bewährte Ansätze. Wesentlich ist, von der Schuldfrage wegzukommen und zu verstehen, dass es nicht damit getan sein wird, eine einzige, vermeintliche Ursache zu finden und zu beheben. Damit haben Sie schon einen wichtigen Schritt getan.
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